Survivalmagazin
Freitag, 28. Mai 2021
Mai
Der Einstich an meiner linken Hand ist jetzt fast verheilt. Nachdem die Anästhesistin die Kanüle fertig gelegt und festgeklebt hatte, sagte sie mir, dies sei für die meisten Patienten das Schlimmste.
Eine blaue Matte gab es nicht - ich wurde im Bett hinunter in den OP gefahren und musste auf eine Liege, die mit einem Papier bedeckt war, hinüberrutschen. (Das erste Mal flach Liegen seit November) Sogar mit Bettdecke. Das war gemütlich, aber etwas merkwürdig. Das einzige Gefühl, was ich hatte, war Hunger.

Die Nacht zuvor hatte ich nicht gut geschlafen. Das Ticken der Uhr klang wie Schläge von Metallstangen und ich hatte mein Kissen nicht dabei - aber schließlich konnte ich bei der OP schlafen.

Auch bei mir kein Zählen - nur ein leichtes Gefühl der Benommenheit, dann herabsenkende Dunkelheit und (endlich) Ruhe.

Ich erwachte mit dem festen Vorhaben, eine Ausbildung als Anästhesistin zu machen. Anschließend könnte ich als Fachkraft nach Australien oder Neuseeland. Nebenbei immer noch Hunger und leichte Schmerzen in den Augen. Das rechte war gesalbt und das linke (das operierte) verbunden. So sah ich nur sehr wenig und tröstete mich mit geistigen Bildern von Tortilla und McDonalds. Keine Übelkeit - ich bin wohl wie geschaffen für die Narkose.

Im Vorfeld fragte mich die Ärztin, ob ich Drogen nehme. Ich erzählte ihr von den Substanzen von vor fast 5 Jahren und sie meinte, da müsste ich eventuell ein stärkeres Mittel bekommen. Keine Ahnung, ob das damit zusammenhängt.

Bis Sonntag war ich dann noch im Krankenhaus und es war erwartungsgemäß ereignislos. Eine Nacht mit einer kleinen Frau, die erstaunlich laut schnarchte. Dann wurde ich von meinen Eltern abgeholt und seit letzter Woche Mittwoch zum Glück wieder hier in meiner eigenen Wohnung.
Die Tage vergehen hier schneller, auch wenn es mir oft trotzdem zu lange vorkommt. Christoph hilft - wir kochen zusammen und schauen Orange is the new black. Wenn er nicht da ist (so wie jetzt) versuche ich Dinge zu tun, die ich darf, sonst wird mir der Raum zu eng. Insgesamt bin ich aber auf einen ganz guten Weg. Ich habe Blumensamen gesäht und es tut gut, Dinge wachsen zu sehen.

Ich kann auf dem linken Auge fast das Gleiche sehen wie auf dem rechten. Die Dinge sind kleiner und etwas verzerrt (in geraden Strichen ist eine leichte Kurve), aber ich kann genug sehen um zu lesen und hoffentlich bald wieder Sport zu machen.

Achja, bei der OP hat der Arzt einen Venenverschluss gefunden. Sehr ungewöhnlich in meinem Alter. Nun muss ich zu allerhand Untersuchungen, um meine Thrombosegefahr abzuklären. Müsste ich mir Sorgen machen? Möglicherweise, aber um ehrlich zu sein, habe ich seit der Narkose meine Angst vor dem Tod verloren. Das Gefühl, einfach ins Nichts abzugleiten war so viel weniger unangenehm als die Schmerzen, die ich bisher in meinem Leben erfahren habe.
Um das nicht falsch zu vermitteln: ich lebe sehr gerne und mache Pläne um zu den schönen Erinnerungen noch schönere hinzuzufügen. Aber gerade nach den letzten Monaten voller Passivität und Angst vor neuen Blutungen sowie viele Arztbesuche, erscheinen mir viele Dinge so unwichtig, die ich vorher sehr ernst genommen habe. Es gibt mir ein leichteres Gefühl und das fühlt sich gut an.


Als ich vor fast 5 Jahren hierher gezogen bin, bin ich noch jedes Wochenende nach Hause gefahren. Da waren aber auch Leute aus Berlin oder Bayern, die vielleicht 1-2 mal im Jahr heim fahren. Und nach einiger Zeit habe ich sie beneidet. Es gibt einem unglaubliche Kraft, ganz woanders anzufangen und zu merken, das man klar kommt.
dann kann man überall hingehen und weiß, dass man zurecht kommen wird.

Falls es dich nach Thüringen verschlägt (In Erfurt und Weimar gibt es glaub so Kunst/Architekturzeugs), gib mir Bescheid, wenn du einen Schlafplatz o.ä. brauchst.

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